Berücksichtigung einer „ständigen Übung“ im Verein – Urteilsanmerkung von Rainer Cherkeh in SpuRt

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25.10.2017

Zur Ausfüllung lückenhafter Satzungen wird in der Praxis häufig auf das sog. Vereinsherkommen (auch Vereinsobservanz genannt), also ein Vereinsgewohnheitsrecht, zurückgegriffen, auch hinsichtlich des Verfahrensganges bei Mitgliederversammlungen.

In der aktuellen Ausgabe (Heft 5/2017) der Fachzeitschrift SpuRt (Zeitschrift für Sport und Recht) 2017, 205 ff  ist ein für die vereinsrechtliche Praxis spannendes Urteil des AG Helmstedt vom 03.02.17 nebst Beschluss des LG Braunschweig vom 16.05.17 veröffentlicht,  u. a. mit folgenden Leitsätzen:

  • Da Vereinsmitglieder keinen Anspruch auf Beibehaltung einer satzungswidrigen Praxis haben, können diese sich insofern auch nicht auf einen Bestands- bzw. Vertrauensschutz berufen.

  • Zwar kann bei der Auslegung der Satzung eines Vereines unter besonderen Umständen ausnahmsweise auch eine ständige Übung (ergänzend) berücksichtigt werden. Eine solche Übung kann – wegen der Allgemeingültigkeit der Satzung und der Bindungswirkung auch künftiger Mitglieder – aber grundsätzlich nur dann berücksichtigt werden, wenn sie zum einen als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, zum anderen auch nicht dem ausdrücklichen bzw. eindeutigen – jedenfalls durch Auslegung eindeutig ermittelbaren – Satzungszweck und Wortlaut entgegensteht.

In seiner ebenfalls in der SpuRt publizierten Urteilsbesprechung führt Rainer Cherkeh nebst Praxishinweis u.a. aus:

„Sowohl das AG Helmstedt als auch das LG Braunschweig haben (…) deutlich gemacht, dass Vereinsmitglieder keinen Anspruch auf Beibehaltung einer selbst jahrelang geübten satzungswidrigen Praxis haben können. Ein, wie es das AG Helmstedt deutlich formuliert hat, „Recht auf Weiterführung einer rechtswidrigen Praxis“ lässt sich auch aus jahrelang im Verein geübter Handhabung nicht herleiten. Bei den im Vereinsleben nicht seltenen Fällen der sog. „vereinsinternen Übung“ sollte diese Trennlinie stets und penibel beachtet werden, will der Verein nicht Gefahr laufen, rechtswidrige oder nichtige Beschlüsse seiner Organe zu verursachen.“ 

veröffentlicht in SpuRt (Zeitschrift für Sport und Recht) 2017, 208.