Bundesgerichtshof bejaht Schadensersatz bei Diesel-Autos mit Thermofenstern

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26.06.2023

Der Bundesgerichtshof hat heute in von vielen Dieselkäufern mit Spannung erwarteten Urteilen seine Rechtsprechung in sog. Dieselfällen geändert und die Hürden für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüche bei Fahrzeugen mit sog. Thermofenstern deutlich herabgesetzt.

Entschieden wurde über drei Musterverfahren (Aktenzeichen VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22) bzgl. Motoren von Mercedes, Volkswagen (EA288) und Audi (A896Gen2BiT) mit sog. Thermofenstern. Das Thermofenster dient dazu, dass die Verbrennung von Abgasen je nach Außentemperatur zeitweise gedrosselt wird. Thermofenster sind bei Diesel-Fahrzeugen verschiedener Hersteller weit verbreitet.

Der EuGH hatte in einem Urteil vom 21. März 2023 geurteilt, dass der Käufer beim Erwerb eines Kraftfahrzeugs, das zur Serie eines genehmigten Typs gehört und mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist, vernünftigerweise erwarten kann, dass die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und insbesondere deren Art. 5 eingehalten ist. Wird er in diesem Vertrauen enttäuscht, kann er von dem Fahrzeughersteller, der die Übereinstimmungsbescheinigung ausgegeben hat, Schadensersatz nach Maßgabe des nationalen Rechts verlangen.

Der Bundesgerichtshof hat auf dieses Urteil des EuGH nun reagiert und seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass ein Schadensersatz bei der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen nun nicht mehr Vorsatz und eine sittenwidrige Schädigung voraussetzt, sondern einfache Fahrlässigkeit des Autobauers ausreicht. Der Bundesgerichtshof hat heute alle drei Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, damit die Berufungsgerichte eine Haftung der beklagten Autobauer aus unerlaubter Handlung weiter aufklären.

Folgende Grundsätze hat der BGH dabei aufgestellt:

  • Der Käufer hat keinen Anspruch auf Rückabwcklung des Kaufvertrags, wenn keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorliegt. Vielmehr beschränkt sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den sog.Differenzschaden.

  • Nach Auffassung des BGH ist dem Käufer ein Schadensersatz in Höhe von wenigstens 5 % und höchstens 15 % des gezahlten Kaufpreises zu gewähren, ohne, dass das Vorhandensein eines Schadens als solches mittels eines Sachverständigengutachtens zu klären wäre oder durch ein Sachverständigengutachten in Frage gestellt werden könnte.

  • Auf diesen vom Gericht zu schätzenden Betrag muss sich der Käufer Vorteile nach Maßgabe der Grundsätze anrechnen lassen, die der Bundesgerichtshof für die Vorteilsausgleichung auf der Grundlage der Gewähr kleinen Schadensersatzes nach §§ 826, 31 BGB entwickelt hat. Diese Gebrauchsvorteile orientieren sich regelmäßig an der Kilometerleistung des betroffenen Fahrzeugs.

  • Die Beweislast dafür, dass das sog. Thermofenster ausnahmsweise zulässig war, trägt der Autohersteller.

Sind Sie auch vom Dieselskandal betroffen? Nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.


Andreas Hampe, MLE

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht